Berlin Atlas 03 – Stadt entlang der Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde

Pressemitteilung BDA Berlin 2022:

Die Ausstellung zeigt Collagen eingeladener Architektinnen und anderer Planer zu folgendem Szenario: Man stelle sich vor, dass auf der ehemaligen Güterbahnstrecke von Tegel Hafen nach Friedrichsfelde Ost eine S-Bahn-Linie führe und zeige auf, wie sich die Stadt hier entwickeln könnte.

Wir sind überzeugt, dass sich die Frage, wie sich Berlin weiter entwickeln soll, nicht nur auf Gebiete innerhalb des S-Bahn-Rings (9% des Landes Berlin) oder außerhalb der Landesgrenzen (IBA Berlin-Brandenburg) beschränkt. Die Stadtteile, die an den Rändern liegen, werden nicht durch die Ausfallstraßen charakterisiert, die sie durchschneiden. Sie sind einerseits die weißen Flecken auf der Landkarte der Stadtentwicklung. Andererseits finden sich hier architektonische Nischen, Industrieruinen, verwilderte Landschaftskammern, übersehene oder vergessene oder gar misshandelte Orte, die der Entdeckung harren – so auch entlang der ehemaligen Industriebahnlinie von Tegel nach Friedrichsfelde.

Text zum Beitrag im Rahmen der Ausstellungsreihe “Atlas 03” des BDA Berlin:

„Da fährt die Hochbahn in ein Haus hinein und auf der andern Seite wieder raus.“ (Joachim Ringelnatz)

Die Arbeit bezieht sich auf das Tunnelhaus am Bülowbogen in Berlin. Dieses Haus erlangte mit dem Bau der Hochbahn zwischen Gleisdreieck und dem Nollendorfplatz um das Jahr 1900 Berühmtheit, es galt sogar außerhalb Deutschlands als Großstadtwunder, als Symbol des Fortschritts. Auch in die Lyrik fand diese Sehenswürdigkeit Eingang– etwa in Joachim Ringelnatz’ Gedicht „Berlin“: „Da fährt die Hochbahn in ein Haus hinein und auf der andern Seite wieder raus.“
Das Tunnelhaus wurde ca. 1885 gebaut, der Durchbruch für die Hochbahn erfolgte um 1900. 15 Jahre nach dem Bau war die Planung also schon veraltet und es musste ein Durchbruch für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden, um mit der Schnelligkeit des Wachstums der Stadt mithalten zu können.
Das Haus, das in Weissensee in der Industriebahnstraße auf die ehemalige Trasse der Industriebahn gebaut wurde, würde im Fall der Reaktivierung der Industriebahn – ob als S-Bahn oder vielleicht realistischer als Straßenbahnstrecke – ein ähnliches Schicksal ereilen. Auch wenn das heutige Bauvolumen nicht mit dem der Gründerzeit vergleichbar ist: es könnte so ebenfalls zum Zeichen und Symbol werden für die Gleichzeitigkeit und schnelle Abfolge von Planungen und Planungsänderungen durch Stadterweiterung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur – zur einer großstädtischen Form, die durch die Kollision von Planungen entsteht.